wer sich ein wenig für aktuellere Musik begeistert, hat sich möglicherweise gewundert, dass derzeit ein zwanzig Jahre alter Song in den Charts auftaucht. Andere wundern sich nicht, weil sie sich entweder dafür nicht interessieren oder aber den Grund wissen: Der Song „Unwritten“ von Natasha Bedingfield ist als Filmmusik erneut in den Hitlisten gelandet, höher platziert als bei der ersten Veröffentlichung im Jahr 2004.
Die Romanze „Wo die Lüge hinfällt“ ist als moderne Verarbeitung von Shakespeares Stück „Viel Lärm um nichts“ im Kino. Es geht es um „sie“ und um „ihn“ und sie singt das Lied, um ihm Mut zu machen, in der Luft unter einem Hubschrauber hängend. Wer den Film kennt, hat die Szene vor Augen. Wer ihn nicht kennt, mag das wunderlich finden, aber es tut hier nichts zur Sache.
Hier soll es um die Intention gehen: Als Natasha Bedingfield den Song für ihren Bruder Daniel zum Geburtstag schrieb, wollte sie damit eine ermutigende Botschaft senden. Wer ihn hört, soll sich bestärkt fühlen: Es muss nicht alles perfekt sein, nicht komplett geplant, was im Leben passiert. Jeder Tag liegt wie ein leeres Blatt, „unwritten“, bereit, um beschrieben zu werden.
Drei Liedzeilen passen zu unserem Jahresthema „Flügel & Gewissen“.
Nehmen wir gleich eine vom Anfang. Um mit dem Schreiben zu beginnen, lädt der Song ein: „open up the dirty window“, mach das dreckige Fenster auf und lass Licht herein. Es reicht ja gar nicht, selbst ein reines Gewissen zu haben. Es ist eine echte Anstrengung geworden, sich zu schützen: vor populistischen Medienportalen, deren erklärtes Ziel es ist, Menschen mit dreckigem Unsinn zu überfluten, oder vor Schmutzkampagnen über Personen des öffentlichen Lebens. Wie weit kann das alles an mich persönlich heran? Wo ist das Fenster, das ich öffnen kann, um in meinem eigenen Umfeld alles hell zu machen?
Welches Licht hilft mir dabei? Als das Licht der Welt benennt vor allem das Johannesevangelium Gott selbst, zu dem wir Menschen „Du“ sagen dürfen, wie es unsere Palmsonntagstagung thematisiert. Bonaventura, einer der bekanntesten Philosophen und Theologen der Scholastik im 13. Jahrhundert, sah das menschliche Gewissen (conscientia) als Licht der Vernunft. „Let the sun illuminate the words that you could not find.” Lass die Worte, die du nicht finden kannst, vom Sonnenlicht anstrahlen, so lange wie nötig. Licht, das Klarheit in das bringt, was man selbst beizutragen hat.
Was ist, wenn man selbst gerade keine Leuchte war? „We've been conditioned to not make mistakes.” Die meisten werden darauf bedacht sein, dass ihnen keine Fehler passieren dürfen, denn sie werden häufig nicht toleriert. Nun ist das Leben selten eine knifflige Operation am offenen Herzen, bei der ein Fehler lebensbedrohlich wäre. Fehler machen zu dürfen gehört zum menschlichen Handeln, absichtliches Fehlverhalten selbstverständlich ausgenommen. Selbst, wer nach bestem Wissen und Gewissen handelt, wird nicht fehlerfrei tun, was gerade ansteht.
Übrigens: Bestärkung, „Empowerment“, ist die Botschaft des Liedes „Unwritten“. Es ist auch das Anliegen der Expertin für Vielfalt und Antidiskriminierung Tupoka Ogette, die Sie bei unserer Kooperation mit dem Stadttheater Aachen und der Bleiberger Fabrik treffen können.
„Today is where your book begins, the rest is still unwritten“: Ihr Buch beginnt mit dem heutigen Tag. Der Rest ist noch nicht geschrieben.
Gute, lichte Geschichten im März, auch auf krummen Zeilen, wünscht im Namen des Teams der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen
Dr. Angela Reinders, Direktorin