wie lässt sich in diesen angespannten Zeiten und vielleicht auch im Aufwind von Ostern Sinn und Halt finden? Wir beschäftigen uns damit nicht zuletzt in einer Akademieveranstaltung in diesem Monat.
In ihrem Gedicht „Der Moment“ schrieb die Lyrikerin Rose Ausländer (1901-1988): „Der Moment ist mein Flügel zum Flügel des nächsten Moments.“
So geht es „im Moment“ vielen: Mit den Krisen der letzten Jahre ist die Zukunftsplanung brüchiger geworden.
Welche Erwartungen haben die Menschen in Deutschland an die Zukunft der Kirche? Danach hat die evangelische Kirche in Deutschland letztes Jahr erstmals unter Mitwirkung der katholischen gefragt. Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung liefert Ergebnisse, die unter der These „Kirche ist Zukunft“ plakativ zusammengefasst sind. Nach den Missbrauchsstudien flattern beide Kirchen mit gebrochenen Flügeln in ihre mögliche Zukunft. Die Reihe „Wiedervorlage: Aufarbeitung (Macht)Missbrauch“ guckt weiterhin darauf und widmet sich in diesem Monat der spirituellen Autonomie.
Im Jahr 2022 erschien das Buch „Zukünfte gestalten – Spekulation. Kritik. Innovation“, die zugehörige Website bietet Vorlagen für die Planung an, Szenarien und Narrative. Institute und wissenschaftliche Gremien, die mit „Zukunftsforschung“ gestartet sind, gehen mehreren möglichen „Zukünften“ auf die Spur, so auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. In ein Schreiblabor dazu ist im Jahr 2011 Äbtissin Christiana Reemts gegangen und hat ein Tagebuch verfasst, das in der damaligen Zukunft spielt, genau in unserer Gegenwart. Monatlich besprechen wir (mit ihr und ohne sie), wie sie sich „die Zukunft“ vorgestellt hat.
„Der Moment ist mein Flügel.“ Aus ihrer Biographie erschließt sich diese Zeile von Rose Ausländer sofort. Als Rosalie Beatrice Ruth Scherzer 1901 in Czernowitz, damals Österreich, geboren und durch die Heirat 1923 zu Rose Ausländer geworden, erlebte die Lyrikerin die Kriegsjahre von 1941 an im Getto ihrer Geburtsstadt in Zwangsarbeit und Todesangst. „Die Biographie Rose Ausländers ist von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts stigmatisiert, und sie zeigt dieses Jahrhundert insgesamt als ein Jahrhundert der Not, der Verfolgung des Menschen, der Vertreibung“ (Walter Schmitz, „Wo ist Heimat“. Rose Ausländer und die intellektuelle Migration aus Czernowitz).
Welche Stigmata wird das 21. Jahrhundert tragen? Flucht und Migration zeichnen sich bereits erkennbar ab, Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit. Auch über diese beiden Themenkreise können Sie sich bei uns im April austauschen.
Im April 1944 befreiten sowjetische Truppen die wenigen überlebenden Jüdinnen und Juden aus dem Getto in Czernowitz, darunter Rose Ausländer. 80 Jahre später ist es in Deutschland weiterhin Thema, an der Seite der jüdischen Gläubigen zu sein. Als ein Signal dazu werden der Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften in Europa am 9. Mai 2024 mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet. Im April begleiten wir das Rahmenprogramm mit zahlreichen Veranstaltungen.
„Flügel und Gewissen“: Angesichts unseres Jahresthemas versuchen wir, die Zuversicht von Ostern in Bewegung zu übersetzen und dabei nicht die Bodenhaftung zu verlieren.
„Ich habe nichts als den Flügel. Ich habe nichts als die Schöpfung. Ich habe nichts als den Moment“ (Rose Ausländer).
Österliche Segenswünsche und herzliche Grüße im Namen des Teams der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen
Dr. Angela Reinders, Direktorin
PS: Und da gibt es ja noch dieses Funfact aus der Abteilung Akademiegeschichte. Vor 45 Jahren, im Jahr 1979, fand eine Pilgerreise zu Ostern nach Rom und Assisi statt, geleitet von Prälat Philipp Boonen, dem ersten Akademiedirektor. Unter den Mitreisenden als Jugendliche: Angela Reinders. |