„im Angesicht des Todes sind keine Phrasen erlaubt“, schrieb Papst Franziskus in der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr 2025, „Spes non confundit“, übersetzt „Die Hoffnung enttäuscht nicht“.
Wie um das zu zeigen, stresste er in seinen letzten Lebenswochen immer wieder diejenigen, die für seine Gesundheit und für seine Sicherheit sorgten. Er sollte sich schonen und ging doch von Aktion zu Aktion, mal geplant, mal überraschend.
Man musste keine hellseherischen Fähigkeiten haben, um zu wissen: Das alles tat er im Bewusstsein, nicht mehr lange zu leben. Keine Phrasen also. Nicht nur ausgearbeitete Botschaften im Wort, sondern Handlungen und Zeichen. Im Wissen um seinen Todestag am 21. April aber wirken die, als hätte er seine „Bucket List“ abgearbeitet: Welche Dinge muss ich noch tun, um die Welt auf mein Vermächtnis aufmerksam zu machen, bevor ich sterbe?
Einen großen Teil seiner zentralen Botschaften hat er in der Enzyklika formuliert, deren zehnjähriges Jubiläum er nun nicht mehr miterlebt: „Laudato si“ – „über die Sorge für das gemeinsame Haus“. Manchmal wird sie als „Umweltenzyklika“ bezeichnet und damit zu schmalspurig eingeordnet. Sie steht vielmehr in der Reihe der „Sozialenzykliken“, kritisiert die „auf der instrumentellen Vernunft beruhenden ‚Mythen‘ der Moderne (Individualismus, undefinierter Fortschritt, Konkurrenz, Konsumismus, regelloser Markt)“ und lädt aus christlicher Spiritualität vielmehr dazu ein, „die verschiedenen Ebenen des ökologischen Gleichgewichts zurückzugewinnen: das innere Gleichgewicht mit sich selbst, das solidarische mit den anderen, das natürliche mit allen Lebewesen und das geistliche mit Gott“ (Nr. 210).
Es ist noch am wenigsten überraschend, dass Franziskus in seinen letzten Lebenstagen das geistliche Gleichgewicht mit Gott suchte, im Rollstuhl die Heilige Pforte im Petersdom passierte und das Sakrament der Vergebung empfing. Dass er es so spontan und ungeschützt tat wie bei jenem vielbeachteten Besuch zehn Tage vor seinem Tod, gab einen Hinweis auf das natürliche Gleichgewicht mit allen Lebewesen: Der Poncho, über sich und das langärmelige Unterhemd gebreitet, wärmte mit seiner Schurwolle nicht nur auf schlichte Art, sondern zeigte auch seine Verbundenheit mit dem Stück Erde in Argentinien an, aus dem Franziskus stammte. Durch einen Schlauch unter der Nase erhielt der verstorbene Papst Sauerstoff, ein Element, das in Luft und Wasser vorkommt. Alle Elemente der Natur in einer Geste, mit letzter Kraft gezeigt.
Das solidarische Gleichgewicht mit den anderen ließ Franziskus nicht nur an seinem Blitzbesuch am Petersplatz zum Jubiläum der Kranken Anfang April ablesen, sondern vor allem noch kurz vor seinem Tod am Gründonnerstag an seinem Besuch im Gefängnis Regina Coeli in Rom. Eindrucksvoll wird bleiben, was er mit leiser Stimme dazu sagte: „Jedes Mal, wenn ich einen dieser Orte betrete, frage ich mich: Warum sie und nicht ich?“
In unserem Erzählcafé zur Enzyklika am 23. Mai erinnern wir uns auch daran, wie sehr das innere Gleichgewicht Voraussetzung dafür ist, das gemeinsame Haus als solches gut zu gestalten. Im Text beschrieb Franziskus es so: „Wenn man schon in der eigenen Wirklichkeit den Wert eines Armen, eines menschlichen Embryos, einer Person mit Behinderung – um nur einige Beispiele anzuführen – nicht erkennt, wird man schwerlich die Schreie der Natur selbst hören. Alles ist miteinander verbunden. Wenn sich der Mensch für unabhängig von der Wirklichkeit erklärt und als absoluter Herrscher auftritt, bricht seine Existenzgrundlage selbst zusammen …“ (Nr. 117).
Gerade über letzte Aussage hätte die Welt sich eine Mahnung gewünscht gegenüber dem US-Vizepräsidenten J.D. Vance, den der Papst noch einen Tag vor seinem Tod empfing. Es soll um humanitäre Krisen gegangen sein, um das Schicksal von Geflüchteten und Gefangenen. Ein kurzes Gespräch, das hoffentlich weder wegweisend noch symptomatisch ist: Es wäre fatal, ginge der Kirche und der Welt die Luft aus, mit gebotener Deutlichkeit zu reagieren. Denn die Kirche hätte als weltweite Stimme die Vollmacht, zu mahnen. Sie könnte Orientierung bieten und es beim Namen nennen: Regierungsbeauftragte, die sich von demokratischen Prozessen verabschieden, humanitäre Hilfen verweigern, über Gefangene kein Recht mehr walten lassen, die sich über Menschen mit Behinderung lustig machen und sie politisch instrumentalisieren, rauben der Welt die Existenzgrundlage.
Sie und wir allein sind noch keine machtvolle Stimme. „Laudato si“ greift auf, wie tief die Welt verwundet ist, wie groß die sozialen Scheren klaffen. Damit das keine Überforderung bleibt, steht auch darin: „Auf soziale Probleme muss mit Netzen der Gemeinschaft reagiert werden, nicht mit der bloßen Summe individueller positiver Beiträge“ (Nr. 219).
Darum bieten wir uns an als Ort, an dem wir mit Ihnen Netze knüpfen und gemeinsam mehr sein können.
Dazu freut sich auf Sie im Namen des ganzen Teams der Bischöflichen Akademie und mit herzlichen Grüßen
Dr. Angela Reinders, Direktorin
PS: Wenn Sie am Erzählcafé teilnehmen, können Sie sich gleich für den 24. Mai ein Gartenschäufelchen mitbringen. Am Nachmittag findet in unserem Akademiegarten eine Pflanzaktion statt, mit der wir uns mit mehreren kleinen grünen Oasen in der Stadt Aachen verbinden, am Ende feiern wir den Abschluss bei uns mit Musik und kleinen Knabbereien. |